Heute findet im Vereinigten Königreich die Parlamentswahl statt – ein großes politisches Ereignis, das das ganze Land seit einigen Wochen beschäftigt. Denn nach Jahren von starken Parteien und eindeutigen politischen Meinungen, ist die Chance auf ein sogenanntes “Hung Parliament” – also Unentschieden – einigen Beobachtern zu Folge größer denn je.
So etwas gab es das letzte Mal im Jahr 1974 und führte zu einer Minderheitsregierung. Die letzte Koalition auf der Insel war in den 40er Jahren.
Es kommt eben selten vor, da eine besondere Form der Wahl genutzt wird. Diese heißt “First Past the Post”, was soviel heißt wie “wer zuerst die Ziellinie erreicht”.
Im Unterhaus – das “House of Commons” gibt es 650 Abgeordnete. Jeder davon wird in einem eigenen Wahlbezirk gewählt – demzufolge gibt es 650 Wahlbezirke im Königreich. In jedem Wahlbezirk werden die Stimmen gezählt, und wer dort die meisten Stimmen hat – das muss keine Mehrheit sein – wird zum Abgeordneten gewählt.
Die Partei, die eine absolute Mehrheit an Abgeordneten hat, also mindestens 326, wird von der Königin beauftragt die nächste Regierung zu bilden.
Dieses System führt dazu, dass eine Partei die Mehrheit der Sitze haben kann, ohne eine Mehrheit der Stimmen zu haben. In der letzten Parlamentswahl im Jahr 2005 hat die Labourpartei nur 36,1% der Stimmen im Land bekommen, jedoch gewann sie 349 Sitze. Bleibt dieser Anteil heute bestehen, muss die gegnerische Konservative Partei fast 43% der Stimmen erhalten um die Mehrheit der Sitze zu gewinnen!
Aber die Labour Partei ist längst nicht mehr so beliebt – ins besondere seit der amtierende Premierminister Gordon Brown letzte Woche eine Wählerin hinter ihrem Rücken übelst kommentierte. Allerdings nicht nur deswegen.
Die Politik der Partei steht in der Kritik und in Radiointerviews stehen die Labour-Politiker für den Wechsel im Land – nur wie sollen die Wähler glauben, dass eine Partei mit einer Mehrheit sich ändern will? Warum sollen sie plötzlich in einer neuen Amtszeit einer neuen Politik folgen, als in den letzten 2 Amtszeiten?
Die andere große Partei – die Konservativen – wollen auch einiges ändern und hier sind durchaus andere Ideen als die mit der die Partei früher warb. Aber für die Wähler ist es manchmal dann doch schwierig, sie von Labour auseinander zu halten, was aber in letzter Zeit daran liegt, dass Labour ihre Ideen erst kritisiert und dann in leicht geänderter Form – nach Meinung der Konservativen – zur Eigenen macht.
The Houses of Parliament - das Parlamentsgebäude
Nun gibt es auch eine dritte Partei: die Liberalen. Seit mehreren Jahrzehnten sind sie mit nur wenigen Abgeordneten im Parlament vertreten, jedoch werden sie auf Grafschafts- und Bezirksebene immer beliebter. Ihre Politik ist auch deutlich anders als die der anderen beiden Parteien – unter anderem wollen sie dort den Euro einführen! Das ist zwar eine radikale Idee für viele Briten, und dennoch überzeugen sie laut einen BBC Statistik 28% der Wähler – genau soviel wie Labour (Stand: 4. Mai 2010).
Aber dieser Anteil der Stimmen ergibt durch das Wahlsystem – ebenfalls laut BBC – 261 Sitze für Labour aber nur 82 Sitze für die Liberalen. Um allein regieren zu können, müssten die Liberalen ungefähr 41% der Stimmen bekommen – etwa so viel wie John Major gewann im Jahr 1992.
Als ob das System nicht kompliziert genug wäre, gibt es auch noch die kleineren Parteien – die SNP in Schottland und Plaid Cymru in Wales. Diese haben Ihre eigene Politik, gewinnen bei Nationalwahlen aber eher einzelne Sitze in Ihren Regionen.
Mehr Einfluss auf das Ergebnis haben die Parteien in Nordirland, z.B. die DUP und Sinn Fein, denn diese sitzen in der Regel im Unterhaus auf der Seite der Opposition – wenn sie überhaupt ihr Mandat in Anspruch nehmen. Da man als Abgeordneter ein Eid schwören muss, der Königin zu dienen, haben oft Politiker der Provinzen Abstand davon genommen – trotz gewonnener Wahl.
Die Wahlbezirke zählen trotzdem, und so ist es noch schwieriger für eine Partei die Mehrheit zu gewinnen.
Nicht zuletzt gibt es die kleineren Parteien. Einige davon machen ernsthafte Politik, wie die BNP (British National Party) die gegen Immigration vorgehen will und UKIP (UK Independence Party) die für den Ausstieg aus der EU wirbt.
Andere sind eher Spaß-orientiert, wie die “Monster Raving Loony Party”. Diese Partei möchte Schulhausaufgaben verbieten, das Loch Ness Monster als bedrohte Tierart anerkennen lassen, und Klimaanlagen außerhalb von Gebäuden installieren lassen um der globalen Erwärmung entgegenzuwirken.
Aber egal wer gewinnt, eins ist sicher: morgen könnte es im Haus 10 Downing Street Änderungen geben, denn für den Premierminister gibt es keine Übergangszeit wie in anderen Ländern. Wenn Labour die Wahl verliert, stehen morgen für Gordon Brown die Umzugslaster vor der Tür.